Das Rössener Haus von Bad Krozingen

 

Einführung

 

Bisherige Versuche neolithische Häuser als Rekonstruktion in allen Dimensionen darzustellen, scheiterten daran, dass als Grundlage dieser Beschreibungen nur selektiv ausgewählte Befunde, herangezogen wurden.

Des weiteren daran, dass  "archäologisch begründete" Aussagen, als Grundlage einer Rekonstruktion in allen Dimensionen, in den seltesten Fällen einer bautechnischen Überprüfung stand halten.

Grund dafür, ist das nicht beachten von „baulichen Gesetzmäßigkeiten“ sowie das willkürliche bestimmen  von Pfostenhöhen im Verhältnis zu  geneigten Dachflächen.

Alle bisher ausgeführten Versuche die Häuser auf Basis dieser Festlegungen zeichnerisch oder im Modell rekonstruktiv darzustellen, sind deshalb lediglich als der „Realität nachempfudene Nachbauten“  zu bezeichnen.

 

Wissenschaftlich anerkannt, im Sinne der experimentellen Archäologie, ist eine Rekonstruktion nur dann, wenn sie aus  konstruktiver Sicht, wie unter Anwendung individueller Maßfestlegung in allen Dimensionen , auf alle Hausbauten dieser Zeitstellung, übertragen werden kann. Also die Abmessungen im Befund durch die Methode beim Aufbau erklärt werden kann und nicht umgekehrt, die Abmessungen im Befund bestimmen die Konstruktion.

 

 Die Rekonstruktion

 

Im Vordergrund aller Bemühungen ein neolithisches Haus rekonstruktiv zu errichten, liegt in der Kenntnis über die Reihenfolge der baulichen Maßnahmen, sowie unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten, die der Zeitstellung entsprechen angepasst sind.

So ist mit Bestimmtheit auszuschließen, dass es maßtechnische Berechnungen gegeben hat, die das Verhältnis von Pfostenhöhen, mit vorherbestimmten Neigungen der Dachflächen bestimmt haben.

(Vergleich: H.Luley, in "Urgeschichtlicher Hausbau in Mitteleuropa" 1992, Band 7, 64, Abschnitt 9.2.1, 83-85)

 

Die maßgebenden Abstände von Pfostensetzungen, die auch die Einbauhöhen der Pfosten bestimmt haben, sind anhand eines gleichen konstruktiven Grundmaßes abzuleiten, das von dem Erbauerer eines solchen Hauses frei festgelegt worden ist.

 

Der Aufbau

 

Bei der maßlichen Festlegung zum Bau eines  Hauses,  ist von  der Tatsache  auszugehen, dass der Bau bequem begangen und nach den Vorstellungen des „neolithischen Bauherren“  genutzt werden konnte. So dass auch hier die Körpergröße des Erbauers  für die Maßfestlegung herangezogen wurde.

Um dies zu gewährleisten, wurde bei der Rekonstruktion des Hauses  im Maßstab 1 : 1, die Körpergröße eines   "fiktiven neolithischen Bauherren“  mit  1,58 m  angenommen. (Abbildung)

Diese Maß wurde vom Erbauer des hauses in Bad Krozingen als konstruktives Grundmaß kG. beginnend bei der Bauholzgewinnung sowie im konstruktiven Aufbau in allen Dimensionen eingesetzt.

Dieses Maß liegt im Spektrum der durchschnittlichen Körpergröße einer männlichen Person dieser Zeitstellung, die mit ca. 1,63 m angegeben wird.

 

Der eigentliche Aufbau  beginnt nicht mit dem ausheben von Pfostenlöchern,    sondern führt zunächst in den Wald, wo mit Hilfe des Maßstockes (kG) die    geeigneten Bauteile abgelängt wurden.

 

Was ist geeignet?

 

Im Falle dieser Rekonstruktion erledigte der „Sturm Lothar“ die Fällarbeitarbeit.

Am gefällten Baum wurde von einer Astgabel aus der Maßstock angelegt und entsprechend dem  vorgesehenen Standort im Konstruktivgerüst,dessen Einbauhöhe über dem Begehungshorizont  markiert.

Unter Zugabe einer Länge, die zum eingraben der Pfosten ins Erdreich vorgesehen  ist, wurden die Pfosten und Stangen abgelängt.

Im Falle der Rekonstruktion von Bad Krozingen, war eine Motorsäge das zeitgemäße Werkzeug mit dem diese Arbeiten durchgeführt wurden..

 

Mittels dieser Methode der Längenfestlegung entsatand ein Raster:

 

Für das tragende Innengerüst    1 kG + Längenzugabe zum eingraben.

Giebelseitig vorne und hinten   2 kG + Längenzugabe zum eingraben.

Die Höhe der Firstpfosten         3 kG + Längenzugabe.

 

Der Transport der fertig abgelängten Bauteile an die Baustelle,  stellt in so weit kein Problem dar, da diese der Einfachheit halber an die Baustelle getragen wurden.

Lediglich die 3 kG hohen Firstpfosten sind entsprechend ihrem Gewicht nicht ohne weiteres zu transportieren. Sie wurden mit Seilen zur Baustelle gezogen

Sie wurden um den Reibungswiderstand gering zu halten, auf geschälte Gleithölzer gelegt. Zum Transport und späteren Aufbau, waren insgesamt 4 Personen notwendig.

 

Der Bauablauf:

 

Es beginnt mit dem auslegen der Firstpfettenteile von NW nach SE, entsprechend dem Sonnenstand zum Beginn der Arbeit. 

Die Verbindungspunkte zweier Pfettenteile liegen im Raster des kG und bestimmen somit den Abstand der dachtragenden Firstpfosten in Längsrichtung.

Mit einer quer gelegten Zange (zwei KG),  an der schmalsten Stelle des Gebäudes im nordwesten,  sowie einer weiteren ebenfalls quer gelegten Zange mit  3 kG Länge, an der breitesten Stelle des Gebäudes im südosten, wurden die Eckpunkte für das tragende Innegerüst festgelegt.  

Die  typische Trapezform der Konstruktion, ist auf dem Erdboden ausgelegt und an den Verbindungspunkten der Pfetten, wurden die Standorte der tragenden Pfosten bestimmt. (Abbildung)

Das konstruktionsbestimmende Maßverhältnis von 2 : 3 kG, ist als typisches Merkmal, an allen Häusern dieser Kulturepoche festzustellen.

 

Die Pfostenhöhe für das innere Traggerüst über dem Begehungshorizont beträgt   1 kG, wobei entsprechend der Längenzugabe am Pfosten auch die Tiefe des auszuhebenden Pfostenloches bestimmt wurde.(Abbildung)

Aus tatsächlich freigelegten Befunden, sind im Bezug noch vorhandener  Spuren von Pfostensetzungen unterschiedliche Lochtiefen festgestellt worden.

Dies bestätigt, dass ein Höhenausgleich der Pfosten, um eine gleiche Einbauhöhe der tragenden Konstruktion zu erreichen im Erdreich erfolgt sein muss.

Dies ist in der Höhenentwicklung des Gebäudes eine Voraussetzung dafür, dass in einer späteren Aufbauphase homogene Dachflächen entstehen. 

An den nun aufgerichteten Pfosten, wurden  Zangen als Querverstrebungen auf die Pfetten aufgelegt und mit den Pfosten verbunden.

 

Daraus ergeben sich folgende Einbaumaße:

 

Pfostenhöhe außen                            1,58 m

Auflage der Pfetten                           0,12 m

Durchgangshöhe an den Zangen       1,70 m

 

Mit der Durchgangshöhe im Gebäude von ca. 1,70 m, ist bei der viktiven Körperhöhe von 1,58 m, ein bequemes begehen, für alle Bewohner gewährleistet (Kopfreiheit).

 

Nun wurden entlang der quer gelegten Zangen die tragenden Pfosten für die Firstpfette  mit einer Einbauhöhe von 4,74 in die Pfostenlöcher eingelassen und aufgerichtet und mit seilen an den Querstreben gesichert. (Abbildung)

Mit der Einbauhöhe von 4,74 m (drei kG) über dem Begehungshorizont, wird die körperliche Erreichbarkeit zum einlegen der Firstpfettenteile auf den Pfosten überschritten.

Mit Unterstützung von zwei Montagestangen mit Astgabeln,  sowie mit Zugseilen, die über die Astgabeln der Ständerpfosten geführt wurden, konnten die Pfettenteile kontrolliert hochgezogen und in die Astgabeln der tragenden Pfosten eingelegt werden. Die tragende Konstruktion ist fertiggestellt.

 

Mit dem auflegen der Rofen, entstand die formtypische Gestaltung eines Sparrendaches, dessen Dachneigungswinkel durch das trapezförmig verlaufende Grundgerüst und der Einbauhöhe am First bestimmt wird.

An der Schmalseite des Gebäudes, beträgt dieser Winkel 45°, um bis zur breitesten Stelle auf ca. 52° anzusteigen.

Diese Dachneigungswinkel müssen nicht vorherbestimmt werden, sondern entstehen durch die konstruktive Vorgehensweise beim Aufbau von selbst. (Abildung)

Als bestimmendes Traditionselement dass alle Einbauhöhen im Raster des frei bestimmten kG liegen, ist die entstandene Dachform bei allen Häußern dieser zeitstellung gleich.

Neben den konstruktiv statischen Erfordernissen, wirken diese Häuser keineswegs plumb, sondern habe eine elegant wirkende Architektur. (Abbildung) Dies widerspricht dem  heute noch existenten Rössener Hauses,

das im Freizeitpark von Orlinghausen zu sehen ist.

(H.Luley, Urgeschichtlicher Hausbau in Mitteleuropa, 1992, Universität Köln Band 7)

 

Erst jetzt wurden die Löcher bzw. Wandgräbchen für die raumabschließende Außenwand ausgehoben und deren Pfosten bzw. Spaltbohlen mittels Aufbindehölzer an den Sparren befestigt.

Der weitere Aufbau und die Art der Dacheindeckung ist in vielen rekonstruktiven Beschreibungen gut dargestellt und muss hier nicht wiederholt werden.

Bis hier waren keine irgend wie benannte Maßkenntnisse Winkelfestlegungen und statische Berechnungen zur Erklärung des konstruktiven Aufbaues erforderlich.

Das in Bad Krozingen als Experiment errichtete Haus der Rössener Kulturstufe, war bis zu seiner Zerstörung durch Brandstiftung, europaweit das erste experimentell errichtete Haus, das durch die Anwendung der als traditionell begründbaren Methode beim Aufbau und  nicht durch das ausmessen vorhandener Befunde, sowie "archäologisch begründeter Vorgaben" entstanden ist.

Es ist nach der Zerstörung durch Brandstiftung, im Erdboden der selbe Befund  erhalten, wie ihn unsere neolithischen Vorfahren beim Bau ihrer Häuser auch erzeugt haben.

 

Sepp Albrecht