Tradition im neolithischen Hausbau

Neolithischer Hausbau in Mitteleuropa unter Berücksichtigung einer individuell bestimmten Maßstruktur als Traditionselement.

 

Lepenski Vir

 

Beurteilt man die Gebäudestrukturen dieses Siedlungsplatzes, so ist davon auszugehen, dass es eine gleiche Methode beim Aufbau der Häuser gegeben hat. Zum Aufbau selbst sind unterscheidbare  Konstruktivmaße eingesetzt worden, die die unterschiedlichen Hausgrößen erklärbar machen.

 

Mit Lepenski Vir,  einer  der  bedeutendsten archäologischen Fundstellen Europas, wird Beispielhaft der Übergang, von einer sesshaften mesolithischen Lebensweise, zu  der  sich in  ganz Europa  ausbreitenden  bäuerlichen  Wirtschaftsweise  des Neolithikums aufgezeigt.

Die aus dem türkischen Raum um ca. 6.500 v.Chr. entlang die Donau eingewanderten Bauerngesellschaften (Catal Hüyük, Hacilar), trafen in Höhe von Lepenski Vir auf eine schon mehr als 1.000 Jahre zuvor existente, mesolithische Dorfgemeinschaft.

Die Menschen  wohnten  zum  Schutze  vor  Witterungseinflüssen   in  massiven Zelthäusern. 
Bedingt durch die dort herrschenden Geländeverhältnisse, an einem Steilufer der Donau in Höhe des "Eisernen Tores", wurden die Häuser auf Terrassen errichtet.
Sie entsprachen in ihren Ausmaßen den vorgegebenen Bedingungen, sowie den Anforderungen nach  mesolithischen  Art,  durch  Jagen  und  Fischfang  den Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Alleine aus den trapezartigen Hausgrundrissen abgeleitet, wird den Erbauern der Häuser unterstellt, dass sie zu deren Aufbau  „entschieden ein mathematisches Wissen gehabt haben müssen."

"Nur mit geometrischen Kenntnissen", sowie der Kenntnis über ein uns unbekanntes Messystem im Sinne von Meter und Zentimeter, konnten sie die Häuser in ihrer systemgleichen Trapezform  errichtet haben.
(Prof. Dragoslav. Srejovic, Lepenski Vir 1973, 58 ff)

Was wird durch diese Aussagen manifestiert?

 

„Dass bevor die damaligen Menschen überhaupt begonnen haben einem Bau zu realisieren, sie zuerst die geometrisch maßtechnischen Grundlagen dafür erarbeitet haben müssen (!?)".
Hier ist schon im Ansatz zu erkennen, dass bei der Rekonstruktion dieser Häuser, grundsätzlich, übrigens wie im neolithischen Hausbau insgesamt, von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird. 


Aus der Bauabfolge  aller  Siedlungsphasen ist zu erkennen, dass ausgehend von der als Proto-Lepenski Vir bezeichneten ersten Bauphase (Lepenski Vir, Abb.7 Phase 1a), sich die gleichartigen Hausformen nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum" zu einer traditionellen Methode beim errichten der Häuser entwickelt hat.

Dabei belegen die unterscheidbaren Hausgrößen einerseits, dass verschiedene   Abmessungen die Größe der Häuser bestimmt haben, andererseits wurde wegen der identischen Grundform der Häuser, die gleiche Methode beim Aufbau angewendet. Das besagt, dass konstruktive Abmessungen durch individuelle Entscheidungen getroffen wurden!

Es sind zum bestimmen dieser Abmessungen, weder Kenntnisse von einem Maßsystem im Sinne von Meter und Centimeter, noch Kenntnisse über Mathematik und Geometrie Notwendig! (Lepenski Vir, 58).

Wobei zu bemerken ist, dass den Erbauern von Lepenski Vir, ein gewisses geometrisches Verständnis, das sie im Laufe der baulichen Entwicklung erworben haben, nicht grundsätzlich in Abrede gestellt werden kann.


Der Aufbau unter Anwendung eines frei bestimmten konstruktiven Grundmaßes vom Verfasser kG, genannt!

 

Wegen der trapezartigen Grundform der Häuser, ist unter Einhaltung einer homogenen gleichen Dachfläch, die Firsthöhe am Fußende des Hauses niedriger, wie an der breiteren Eingangsseite.
Es entstand so eine „fallende Firstlinie" die der ursprünglichen Geländeform angepasst, in der Höhe eine waagerechte bildet. (Lepenski Vir, Abb 9,10, 11. S. 63, 69).

Die Häuser wurden in das fallende gelände eingebaut wobei der First eine waagrechte Gegenüber dem fallenden Gelände bildete.
Aus dem Befund ist weiterhin zu entnehmen, dass es wegen dem fehlen von senkrecht eingegrabenen Außenwandpfosten, es keinen abgehobenen Aufbau der Dachflächen gegeben hat.
Das Dach ist demnach als Satteldach mit einer bodenbündig verlaufenden Traufe errichtet worden.(Abbildung 1)


Eingetiefte Steinsetzungen entlang den Außenwänden  stützten die aufgelegten Dachbalken gegen seitliches wegrutschen.

Zur maßlichen Rekonstruktion und bei der Beschreibung der Vorgehensweise beim Aufbau dieser Häuser, hat der Verfasser das Haus Nr. 37 von Lepenski Vir, ausgewählt.
Mit der zeichnerischen Darstellung des Fundamentes im Maßstab 1 : 75 (Lepenski Vir, 60, 77) ist  nach heutigen Maßfestlegungen (Meter Zentimeter) ein konstruktives Grundmaß (kG) zu ermitteln, das in allen Dimensionen eingesetzt eine auf das Quadrat bezogene Grundform ergibt!

Die Fragen die sich daraus ergeben sind:

"Wie kann ein in allen Dimensionen angewendet gleiche Länge, die demnach aufsein Quadrat bezogene Grundform ergibt, die im Befund erkennbare Trapezform ergibt entstehen?"

Waren dazu komplizierte Berechnungen, wie Prof. Srejovic sie voraussetzt überhaupt notwendig? 
 
Der Aufbau

 

An der Schmalseite des Befundes ist dass konstruktive Grundmaße (kG), das in allen Dimensionen angewendet wurde, durch teilen in zwei Hälften festzulegen.

Bei dem durch den Verfasser aufgeführten Beispiel (Haus 37), beträgt das kG 1.08 m. 

(kG =  A/Halbe = 1.08 m Abb.8, S. 60 Lepenski Vir!
Weiterhin wurde von einem Punkt, der später die Lage der Mittelachse (Firstlinie) bestimmt, mit einer Leine oder Maßlatte mit sechsfacher Länge des kG = 6,48 m, ein Radius auf den Boden gezeichnet.

Um ein kG, also 1.08 m auf der Mittelachse zurückgesetzt, wurde der Standort des tragenden Hauptpfostens bestimmt (Abb.2).
Quer zur Mittelachse (Sekante), in Höhe des Firstpfostens, wurde an den Schnittpunkten des Kreisbogens, zwei weitere Eckpunkte wo zur seitlichen Abstützung der Forstpfette zwei Tragpfosten eingegraben (Befund Abb 2).
Verbindet man nun die so fest gelegten Punkte miteinander, so ist die trapezoide Grundform des Gebäudes , inklusive des abgerundeten Vorbaues festgelegt.
Abmessungen, Winkelfunktion und Dachneigungen sind nicht abhängingig von komplizierten Berechnungen, sondern entstehen durch die Anwendung des kG, das auch in der Gebäudehöhe angewendet wurde, in der vorgeschlagenen Vorgehensweise von selbst.

Der Dachneigungswinkel beträgt am Fußende des Gebäudes entsprechend der auf das Qudrat bezogene Struktur mit 2 kG,  auch in der Höhe = 45 Grad.

Giebelseitig ergibt sich die Dachneigung aus der Einbauhöhe des Firstpfostens am Eingang (3kG) im Verhältnis zur Breite der Sekante von selbst! Dachneigungen müssen nicht berechnet werden, sondern entstehen durch die Anwendung des kG in allen Dimensionen von selbst!

Ein wichtiger Grundsatz, der als Traditionselement im gesamten neolithischen Hausbau, den konstruktiven Aufbau sowie die Neigung der Dachflächen bestimmt!

 

Die Konstruktion

 

Nachdem der Firstpfosten errichtet war, wurde in eine Astgabel dieses zentralen Pfostens, eine  Firstpfette in ca. 3.24 (3 kG) Höhe eingelegt.

So entstand nach dem auflegen der Sparren, entlang der trapezoiden Grundform ein geeigneter Dachneigungswinkel der Schnee und Regenwasser, ohne Staunässe zu bilden, abfließen ließ.

Ein wichtiger Grundsatz, entsprechend dem Klima im mitteleuropäischen Raum!

dadurch war auch ein ungehinderter Zugang, sowie Rauchabzug gewährleistet.

Die Feuerstelle als zentraler Punkt wurden immer im Eingangsbereich angelegt.
Neben dem problemlosen Rauchabzug, konnten die Häuser auch bequem begangen und genutzt werden.

Nach dem aufrichten des Pfostens und dessen Verankerung im Erdreich, wurde auf die Grundfläche die Platten für die Herdstelle, sowie entlang der Seitenflächen, die Platten senkrecht stehend eingefasst. Danach wurde die so eingefasste Grundform, mit Stampflehm (Estrich) aufgefüllt.
Das belegen die passend zum Durchmesser dieser Pfosten vorhandenen Aussparungen im Befund (Lepenski Vir, 65). Den Pfostenlängen ( 3 kG) wurde eine Länge zum Eingraben zugegeben , um die Konstruktivhöhe von (3 kG) über dem Begehungshorizont einzuhalten! 

Ein konstruktiv zu beachtender Grundsatz, der auch die Aufbautechnik  späterer neolithischer Hausbauten bestimmt. Sie können in  den Befunden späterer Hausgenerationen, anhand unterschiedlich tief eingegrabener Pfostenlöcher nachgewiesen werden. Von der Schmalseite des Gebäudes ausgehend, wurden entlang der äußeren Begrenzung des Gebäudes, m Abstand von je 2kG, Stützpfosten zur Sicherung der Seitenstabilität eingesetzt (Siehe Befund).

Durch das auflegen von Sparren, die am Fußende mittels einer Bodenpfette und außerhalb davon mit gesetzten Steinplatten vor dem seitlichen wegrutschen gesichert waren, wurde eine steile Dachfläche geschaffen die in ihrer Form dem charakter eines Zeltes entsprach.

 

Die auf das kG bezogene Abmessungen von Haus Nr.37

(Lepenski Vir, 60, 69,77).

 

Firsthöhe am Eingang über dem Fußboden mind. 3 kG = 3,24 m.
Die Hausbreite an der Firstseite ergibt sich aus dem Abstand der Schnittpunkte  am Ende des Kreisbogens von selbst.               ca. = 7,56 m
Gebäudelänge (Radius am Fundament)           6 kG = 6.48 m
Firsthöhe am Stützpunkt der Schmalseite        2 kG = 2,16 m
Länge der Firstpfette >                                  5 Kg =  5,40 m


Nach dem eintreffen von  Menschen mit bäuerlicher Lebensweise , löste sich die bis dahin eigenständige mesolithische Kultur von Lepenski Vir auf. 

Dies ist im hausbau der  nachfolgenden bäuerlich lebenden Kulturen, Cris- Starcevo-Körös, Bandkeramik wurden Teile der Bautechnik, so die Maßfindung,  von den Menschen, zum Bau ihrer Häuser übernommen.

Sie mussten wegen der  bäuerlich bedingten Wirtschaftsweise (Vorratshaltung), größere Hausformen entwickeln, wobei als Grundlage dazu, als Traditionselement wieder, das frei bestimmte kG als Vergleichslänge eingesetzt wurde.

Die gleiche Länge schon beim gewinnen der Bauteile im Wald, und beim Aufbau gleichermaßen eingesetzt, ergibt unabhängig von der Hausform, eine auf das Quadrat bezogene Konstruktivstruktur. Sie bestimmt als Traditionselement auch den Aufbau der Häuser, auch in den nachfolgenden neolithischen Kulturen Mitteleuropas.

 

Literatur:

 

Dragoslav Srejovic, Lepenski Vir, „Eine Geburtsstätte europäischer Kultur"
Sepp Albrecht, „Neue Erkenntnisse im neolithischen Hausbau in Mitteleuropa"

c 2003 albrechts-archäologie.de Steinzeitwissen.de, Hausbau im Neolithikum,

Prähistorische Archäologie, Wicki Beiträge Sepp Albrecht.
Wikipedia, Benutzer Catou Hausbau im Neolithikum.de

 Haus 37, Lepenski Vir.de