Buchbesprechung

Universitätsforschungen zur Prähistorischen

Archäologie

Urgeschichtlicher Hausbau in Mitteleuropa

Helmuth Luley, 1992, Band 7

 

Bautechnischer Teil:

 

Diese 1990 vorgelegte Dissertation über den urgeschichtlichen Hausbau in Mitteleuropa gilt als Standardtwerk in der rekonstruktiven Archäologie, wobei der Autor das Arbeitsgebiet auf das Neolithikum, die Bronzezeit und die vorrömische Eisenzeit eingegrenzt hat. (Abschnitt 3.1)

Mit der Abgabe dieser Arbeit hat der Autor erstmals den Stand der Wissenschaft wie er bis 1990 bekannt war und publiziert wurde, in einer dreigliedrigen Zusammenfassung dargestellt.

 

Aus heutiger Sicht betrachtet sollte man in der Forschung über den urgeschichtlichen Hausbau, nach nunmehr zwanzig Jahren endlich auch neuere Überlegungen zulassen.

Begründet durch den Zwang,  bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sich immer auf sachbezogene Literatur zu berufen, hat sich eine Aneinanderreihung von „archäologisch begründeten Aussagen“ ergeben, die aus bautechnischer Sicht,  wegen der "Nichtbeachtung  baulicher Gesetzmäßigkeiten,"aus  konstruktiver Sicht  nicht der Realität entsprechen können.

 

Daneben wäre eine bessere Differenzierung bzw.Abgrenzung der einzelnen Bauperioden wünschenswert, da sich gerade im Bezug auf die Konstruktion, der Bautechnik sowie der Nutzung der Häuser entscheidende Veränderungen festzustellen sind. (Abschnitt 4 Grundrißtypen).

Vollkommen irrelevant  ist es, wie im konstruktiv bautechnischen Teil gezeigt, über das ausmessen von Befundspuren, nicht nachvollziehbaren Annahmen sowie nicht überprüfbaren Vorgaben, den Hausbau rekonstruktiv beschreiben zu wollen.

So sind die aufwendig durchgeführten  statischen Berechnungen als Grundlage einer Rekonstruktion befundbezogen und entsprechen nicht dem tatsächlich ausgeführten konstruktiven Aufbau.

Diese Berechnungen sind für freistehende Pfosten nicht zu beanstanden, auf die tatsächlich ausgeführte Konstruktion sind sie wegen dem Einbau quer gelegter Zangen, allerdings ohne Bedeutung. 

 

Diese sind, im Gegensatz zur Meinung des Autors, zwingend notwendig.  Das freie einlegen von Pfetten, oberhalb der Erreichbarkeit des Menschen, ist ohne Hilfsgerüst  z.B. durch quer eingelegte Zangen, schwerlich möglich.

Die Standsicherheit der Gebäude sind wegen diese Querverbindung   aus statischer Sicht, als Konstruktion zu beurteilen, und nicht als freistehende Einzelpfosten.  

 

Durch die räumliche Eingrenzung des Arbeitsgebietes auf  Mitteleuropa, wird  den Autor der Eindruck erweckt, dass die frühen Bandkeramiker den Hausbau neu   erfunden  haben.

Die Grundlagen für den systematischen Aufbau der Häuser, sind allerdings schon 1000 Jahre bevor die Bandkeramiker nach Mitteleuropa eingewandert sind, gelegt worden  (Siehe Lerpenski Vir, Bauphase I).

Der neolithische Hausbau ist aus maßtechnischer und konstruktiver Sicht,  auf eine Tradition zurückzuführen.

 

Bei allen Grundrißtypen, beginnend mit der bandkeramischen Kulturstufe, bis zum  mittelneolithischen Hausbau  (Rössener Kulturstufe) bezieht sich der Autor,  auch in den konstruktiven Beschreibungen, im wesentlichen auf diese Tradition und der  Befundeinteilung, die P.J. Modderman im Jahre 1970 formuliert hat (Abschnitt 4)

 

Dessen Interpretation allerdings, bestimmt nur bedingt den konstruktiven Aufbau, sondern bezieht sich im wesentlichen auf die innere Einteilung, die durch die Art der Nutzung der Häuser bestimmt wird. Innere Einteilungen und Veränderungen in den Hausformen entsprechen den zeitlichen Abfolgen die eine Weiterentwicklung der konstruktiv, zimmereitechnischen Fertigkeiten der Neolithiker wiederspiegelt,  wobei neben der Konstruktion  die Nutzungsart der Gebäude von Bedeutung ist.. 

Des weiteren hat Modderman nur für bandkeramische Gebäudetypen ein Einteilung vorgenommen. Eine Übertragung dieser Einteilung auf Haustüpen späterer Kulturgruppen (Mittelneolithikum) ist deshalb sehr erklärungsbedürftig.

 

Im besonderen gilt das für die so genannte „Y-Pfostenstellung" die im Hausbau der ältesten Phase dieser Kulturperiode in den Befunden zu beobachten ist..

Eine Pfostenkonfiguration, die die Phantasie der Archäologen bis heute beflügelt.(W.M. Christian, „Die Y-Pfostenstellung in der frühen Bandkeramik“).

Diese Pfostenkonfiguration, die im übrigen nur einen optischen Eindruck im Befund wiedergibt,  hat mit dem konstruktiven Aufbau selbst nichts zu tun.

Alle von Modderman definierten "Bautypen" gehören der frühen und mittleren Phase der Bandkeramik an.

Sie sind im konstruktiven Aufbau gleich und können deshalb nicht als  "Bautypen", sondern nur als "Befundtypen" unterschieden werden.

Diese Einteilung bezeugt weiterhin, dass es im Laufe der Zeit, die Art der Nutzung, der Wandaufbau, sowie die Größe der Häuser eine Änderung erfahren haben. Das betrifft nicht die Konstruktion, sowie die äußere Form der Häuser.

Erst ab der jüngsten Phase der Bandkeramik treten hausformende Veränderungen auf,  die sich in der Konstruktion und im Bauablauf von den  Hausbauten der frühen und mittleren Phase unterscheiden. 

Diese jetzt, tatsächlich als neuen Bautyp zu bezeichnenden Häuser, wurden durch die bisherige Befundeinteilung Durch Moderman nicht erfasst.

 

Abschnitt 9:  Bautechnische Untersuchungen urgeschichtlicher Gebäudetypen.

 

Gerade hier zeigen sich die verhängnisvollen Auswirkungen von „archäologisch begründeten Vorgaben,“ die den Aufbau dieser Häuser bestimmt haben sollen.

Dies zeigt sich am deutlichsten in der Beschreibung des Autors über den konstruktiven Aufbau der von ihm ausgesuchten Hausrekonstruktion

(S.83-85)

Der Autor stellt hier konstruktive Zusammenhänge in den Vordergrund, die es in der Form nicht gegeben hat, bzw. gegeben haben kann.

So ist es nicht möglich, dass z.B.eine Pfettendachkonstruktion wie sie im bandkeramischen Hausbau ausgeführt wurde, nicht auf eine Rössener Hauskonstruktion übertragen werden kann.

Deren Konstruktionsart entsprecht dem Prinzip, wie sie bei Sparrendacher vorzufinden sind.. 

Komstruktive Grundlage ist ein Dreiecksverbund , wo die aufgelegten Sparren (Rofen) mit der Firstpfette, der Fußpfette des Innengerüstes sowie mit quer gelegte Sparren ein Dreiecksverbund bildet.

So gibt es bei dieser Art der Dachkonstruktion weder Mittelpfetten noch Fußpfetten im Sinne einer bandkeramischen Konstruktion.. 

Es gelten im Bezug auf die von Herrn Luley vorgestellte statische Berechnung  komplett andere Kriterien.

 

Vollkommen unklar bleibt auch, wie die Rössener Bauleute bei der vorgestellten rekonstruktiven Lösung, die unterschiedlichsten Pfostenhöhen schon beim Holzeinschlag so festlegen konnten, dass neben einer gekrümmten Firstlinie dazu noch ein Dachneigung von 45° vorgegeben wurde. 

Wie haben die neolithischen Baumeister, "Spezialisten" sollen es gewesen sein, gemessen, den Winkel von 45° bestimmt und mit welchem Messsystem haben sie die entsprechenden Maße  auf die Pfosten und Pfetten übertragen ?" (S. 60,62,93)

 

Es zeigt sich hier schon im Ansatz, dass Rekonstruktionen im Sinne der experimentellen Archäologie, dass nicht anhand von Ausmessungen  der Pfostensetzungen im Befund,  die Dachformen bestimmt werden können.

Diese Vorgaben, geben keinerlei Auskunft darüber wie die neolithischenden Bauleute beim Aufbau der Häuser vorgegangen sind, so dass die hier vorgestellte Konstruktion nicht auf andere Häuser der Zeitstellung mit  gleichem Befundbild übertragen werden kann, was ja Zweck einer Rekonstruktion sein soll.

Somit ist die vom Autor als Rekonstruktion bezeichnete Darstellung des Hauses Inden 1, als nachvollziehbarer Ansatz im Sinne "der experimentellen Archäologie" zu verwerfen. 

 

Die Frage die gestellt werden muss lautet:

 

Wie kann aus der konstruktiven Beurteilung des Befundes, die Vorgehensweise beim Aufbau, sowie die konstruktive Maßfindung  auf alle Haustypen dieser Kulturepoche übertragen werden?“

 

"Im neolithischen Hausbau ist ein Befund  nach dessen konstruktiver Aussage und nicht durch das ausmessen von Pfostensetzungen und Höhenschätzungen zu beurteilen." Neolithische Bauleute haben beim Bau ihrer Häuser keine Befunde vorgefunden, anhand derer sie maßliche Festlegungen ableiten konnten.

Einzig eine traditionell überlieferte gleiche Vorgehensweise beim Aufbau der Häuser, ließen die systemgleichen Befunde entstehen.

 

Zu unterscheiden sind:

 

Hausbau der frühen bis mittlere Phase der Bandkeramik (Pfettendachkonstruktion Bautyp I)

 

Späte Bandkeramik (Pfettendachkonstruktion ohne Fußpfette Bautyp II)

Die Außenwände verlaufen hier  rundlich oder trapezfäörmig aus der Mittelflucht weg. Es entstehen steigende und fallende Traufhöhen.

 

Mittelneolithischer Hausbau (Sparrendachkonstruktion ohne Mittelpfette).

Die Außenwände sowie die  tragende Innenkonstruktion verlaufen trapezförmig aus der Mittelflucht weg (Bautyp I)

 

Beim Bautyp II, verläuft die tragende Innenkonstruktion, wie beim Bautyp I trapezförmig, um anschließend im zweiten Bauabschnitt mit der Mittelflucht parallel zu verlaufen.

Die Außenpfostenreihen  verlaufen wie zuvor leicht rundlich aus der Mittelflucht, wobei die Einbauhöhe der Außenwand, durch den Abstand der Pfosten aus der Mittelflucht bestimmt wird. Die Höhe der Pfosten wird den überstehenden Rofen angepasst wird. Dadurch entstehen sowohl fallende  und steigende Traufhöhen.

 

Spätneolithischer Hausbau der Trichterbecherkultur. („Katzenbuckelbauweise“ Ende des neolithischen Zeitalters)

 

Diese Häuser sind nach den gleichen, auf  Tradition beruhende Maßfestlegung errichtet worden.

Zu unterscheiden sind sie nicht nur in der Konstruktion sondern auch im äußeren  Erscheinungsbild (Architektur).

Entscheidend ist die Einhaltung von baulichen Gesetzmäßigkeiten sowie eine vernünftige Reihenfolge in der Bauabwicklung. Dies betrifft die Auflagehöhe der Fußpfette im Verhältnis zur Einbauhöhe der Außsenpfostenreihe. Eine weitere Fußpfette muß auf das Grundgerüst aufgelegt werden, so dass bei gleicher Dachneigung, die Sparren mit der Außenwand in Verbindung gebracht werden können.(Seite 214, Hiehenheim Bau Nr.3)

 

Die im Vorspann zum Abschnitt 9 vorgelegten Berechnungen zur Statik sind rechnerisch nicht zu beanstanden, sind aber wegen der falschen konstruktiven Annahmen in Gänze, für einen rekonstruktiven Nachbau nicht aussagekräftig.

Statische Berechnungen können wie in diesem Falle erst dann von Nutzen sein, wenn man Kenntnis über die tatsächlich ausgeführte  Konstruktion hat.

Des weiteren ist eine statische Berechnung, wie sie beispielhaft vorgestellt wurde, wegen dem Wandel der inneren Baustrukturen nicht auf alle Häuser dieser Zeitepoche zu übertragen.

 

Zum  Abschnitt III der vom Autor gemachten Ausführungen.

 

Erfreulich ist die ortsübergreifend und maßstabsgetreue Zusammenstellung der Befunde und deren Beschreibungen.

Erstmals wurde es dadurch möglich, vergleichende Studien über Konstruktionen und Maßfestlegungen, nachvollziehbar auf alle Kulturgruppen dieser Zeitstellung im Zusammenhang zu untersuchen. 

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen belegen, dass die frei bestimmten  konstruktiven Grundmaße (kG) in allen Dimensionen angewendet,den konstruktiven Aufbau aller neolithischen Hausbauten bestimmt haben.

 

Schlußbemerkung:

 

Es fällt in der forschenden Archäologie sicher schwer, von gewohnten „archäologisch begründeten“ Aussagen, die bislang über den neolithischen Hausbau gemacht wurden, abschied zu nehmen.

Aus bautechnischer Sicht,  gibt es  gerade im Bezug  vorgestellter Rekonstruktion“, keinen technisch logische Zusammenhänge, die einer bautechnischen Überprüfung stand halten.

Das besagt aber nicht, dass diese Überlegungen ohne Bedeutung für die experimentelle Archäologie sind, sondern sie sind als Indikatoren zu betrachten, um aus Versuch und Irrtum richtige Lösungswege im konstruktiven Aufbau der Häuser zu finden.

 

Der Verfasser hat in mehreren Aufsätzen und im Experiment, Möglichkeiten aufgezeigt, wie unter Anwendung einer überlieferten Methodik, die Entstehung der verschiedenen, aber im System gleichen Befundstrukturen, erklärt werden können. 

 

Praxis und Literatur:

 

Rekonstruktion eines mittelneolithischen Mehrzweckhauses der Rössener Kulturstufe in Bad Krozingen aus dem Jahre 1999.

 

Sepp Albrecht, experimentelle Archäologie in Europa.Bilanz 2003, 31-41, Hrsg. M. Fansa, Museum Natur und Mensch, Oldenburg)

 

Wikipedia: Benutzer Catou, Hausbau im Neolithikum,

 

Wiki: Prähistorische Archäologie,

 

Steinzeitwissen, Hausbau im Neolithikum,

 

Archäologie Online.

 

Unveröffentlichter Aufsatz, Sepp Albrecht, 20003 „Die Tradition im neolithischen Hausbau, Maßfindung, Konstruktion, Aufbau, Experiment." 

 

Sepp Albrecht

E-Mail: s.albrecht@catou.de.